Kindeswohl: Hammer Kitas im Einsatz

Zuhause bleiben, lautet der Appell: so wenig Kontakt zu anderen Menschen wie möglich, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Eine Schutzmaßnahme in Zeiten der Krise, die zu greifen scheint und Lockerungen ermöglicht: Geschäfte öffnen wieder, Schulen nehmen den Unterricht für Abschlussklassen wieder auf, Kirchen können ab Mai wieder Gottesdienste feiern. Die Kitas sind weiterhin für die meisten Kinder geschlossen, laufen mit eingeschränkter Betreuung.

„Es ist ein ganz komisches Gefühl hier zu sein, so ohne Kinder“, berichtet Nicole Schreckenberg, Leiterin des Kita-Verbunds in der Hammer Kirchengemeinde „Clemens August Graf von Galen“. Eine eigenartige Situation. „Wir haben jetzt schon die sechste Woche geschlossen. Das haben wir nicht einmal in den Sommerferien. Da liege ich nachts schon mit einem mulmigen Gefühl im Bett und frage mich, wie es den Kindern, den Eltern gerade geht.“

Im Hammer Norden leben Menschen aus 20 Nationen. Religionstechnisch ist die Zusammensetzung aus Muslimen, Christen, Jesiden und Anhängern afrikanischer Naturreligionen nicht weniger bunt. Die einen bezeichnen es als Vielfalt, andere als Problemviertel: Arbeitslosigkeit, Gewalt und Drogen gehören für viele zum Alltag. Schreckenberg macht sich Sorgen. „Für alle, die gerade mit ihren Kindern Zuhause sitzen, ist die aktuelle Situation eine Herausforderung. Besonders schwierig ist sie aber für benachteiligte Familien“, betont die 46-Jährige, für Familien, die von Armut betroffen seien, die auf engstem Raum zusammenleben, die keinen Garten, keinen Balkon hätten.

„Wir haben Kinder in unseren Kitas, für die es gut ist, dass sie 45 Stunden in der Woche in der Kita sind, ein Mittagessen bekommen, für eine gewisse Zeit rauskommen aus ihrem familiären Umfeld. „Jetzt ist die Angst da, dass die Familien völlig auf sich allein gestellt sind. Bekommen sie die Hilfe, die sie brauchen? Können sie mit der Situation umgehen? Mit vier Kindern in einer 60m²- Wohnung ohne Balkon?“, fragt sich die Verbundleitung. „Normalerweise steppt auf dem Karlplatz das Leben. Die Familien kommen zusammen, die Kinder spielen. Jetzt ist er tot.“

Der Kita-Verbund arbeitet eng mit dem Jugendamt zusammen

Die Kitas haben Briefe geschrieben mit Bildern zum Ausmalen, Backrezepten, Regebogenstiften. Und mit einer Telefonnummer, die die Familien in Notsituationen anrufen können. „Wir haben die Hoffnung, dass die Eltern das auch nutzen.“ Ebenso wie den Inhalt der Kisten, die Schreckenberg zusammen mit ihren 44 Erzieherinnen und Erziehern vor die drei Kitas gestellt hat mit Bastelvorschlägen, Stiften und weiteren Ausmalbildern.

Gleichzeitig arbeitet der Kita-Verbund eng mit dem örtlichen Jugendamt zusammen, hat zwei Gruppen eingerichtet, in denen Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, betreut werden, aber auch Kinder unterkommen, deren Wohl zuhause gefährdet ist. „Vier Kinder sind aus diesem Grund gerade bei uns. Das ist gut, tut aber auch schon weh.“ Gleichzeitig machen die Erzieherinnen auch vereinzelt Hausbesuche, signalisieren: „Wir sind für euch da.“   

„Wir haben hier im Hammer Norden ein super Netzwerk“, freut sich Schreckenberg. „So gut, dass wir die Hoffnung haben, dass alle, die Hilfe brauchen, diese auch bekommen.“ Dabei setzt die Verbundleitung ganz stark auf das über die Jahre aufgebaute Vertrauen der Eltern den Kitas gegenüber. „Wir haben in zweien unserer Kitas Elternbegleiter, die sich vorrangig um die Belange der Eltern kümmern, sie zu Ärzten begleiten, auf Ämter, zur Schule. Näher kann man an den Eltern nicht dran sein“, ist sie sich sicher. „Daher kommt es nicht von ungefähr, dass wir für die Eltern die ersten Ansprechpersonen sind. Bei uns suchen sie auch Hilfe. Weil sie uns vertrauen.“