Man bringe 14 Erzieherinnen, die sich großteils nicht kennen, auf ein 32 Meter langes und sechseinhalb Meter breites Schiff, stecke sie in Zweier- und Viererkabinen. Erzähle ihnen, dass sie sich selbst verpflegen und auf ihrer schaukelnden Herberge ordentlich mit anpacken müssen, der Wind auch schon mal von vorne kommen kann. Und wenn dir dennoch strahlend-leuchtende Augen entgegenblicken, dann weißt du: Das Abenteuer „Auszeit unter Segeln“ des Aktionsprogramms Kita – Lebensort des Glaubens des Bistums Münster steht unter einem guten Stern.
„Da ich schonmal gesegelt war, wusste ich, dass es eng wird und dass ich mir mit jemand völlig Fremden eine Kabine teilen muss“, berichtet Klara Ludwig, Erzieherin aus der Kita St.Barnabas in Kalkar. „Aber das hat mich nicht abgeschreckt. Als ich im Hafen auf die ersten Mitfahrerinnen traf hatte ich gleich das Gefühl, da kann nichts schiefgehen.“ Und Nicolle Kliche aus der Kita St. Gertrudis in Recklinghausen ergänzt: „Abenteuerlust, Neugierde und die Aussicht drei Tage am und auf dem Meer verbringen zu können, deswegen habe mich entschieden mitzufahren. Dazu noch auf dem Ijsselmeer in den Niederlanden, wo einem die Hafenstädte noch ein Stück heile Welt vorgaukeln… Das passte ganz gut, kurz einer Welt zu entfliehen, in der eine Krise die nächste ablöst.“
Raus aus dem Alltag. Tief durchatmen. Innehalten. Drei Tage nur um sich zu kümmern. Zeit für die eigene Spiritualität zu haben. Darum ging es bei der „Auszeit“. „Gerade auf dem Schiff bietet sich die Möglichkeit, innezuhalten, zurückzublicken und den inneren Kompass neu auszurichten“, erzählt Jürgen Flatken, Mitarbeiter im Aktionsprogramm, der die Veranstaltung an Bord der Nirwana mit begleitet hat: „So lässt sich aus dem Alltag aussteigen. So lassen sich Stille und eindrucksvolle Natur genießen. So ergeben sich Gelegenheiten, um sich mit dem eigenen Glauben auseinander zu setzen und mit Kolleginnen und Kollegen in den Austausch zu kommen. Und es lässt sich Kraft tanken, um mit festem Blick das eigene Segel in den Wind zu stellen und mit neuer Motivation Kurs auf den Alltag zu nehmen.“
Das mit dem „Segel in den Wind stellen“ war durchaus auch wörtlich zu verstehen. Schließlich galt es das Plattbodenboot von Eignerin und Kapitänin Irene Toxopeus von A nach B zu segeln: von Enkhuizen über Hoorn nach Medemblik und zurück nach Enkhuizen ging die dreitägige Fahrt. Für die Erzieherinnen-Crew bedeutete das zu lernen, wie die Segel des Zweimasters hochgezogen und wieder eingeholt werden. Da war es ganz gut, dass am ersten Tag Flaute herrschte. Da konnte Matrosin Kim den Erzieherinnen die notwendigen Handgriffe und Knoten zeigen. Denn im Ernstfall muss es schnell gehen.
„Irene und Kim haben durch ihre Art die ganze Auszeit zu etwas Besonderem gemacht“, blickt Sabine Schmidt, Erzieherin in der Kita.St.Johannes, Sassenberg, auf die gemeinsame Zeit an Bord zurück. „Sie nahmen mir schnell die Sorge: wie sollen wir das alles schaffen, Knoten lernen, Segel setzen und reffen, Wenden fahren. Sie hatten eine entspannte Art, mit uns umzugehen.“ Und da im Grunde nur der gemeinsame Berufsstand die verbindende Gemeinsamkeit war, „mussten wir uns ja erstmal kennenlernen.“ Skipperin Irene ist immer noch erstaunt, dass „die Gruppe sich so schnell gefunden hat. Die kannten sich ja fast gar nicht. Und trotzdem habe ich nie jemanden alleine sitzen sehen. Alle haben mit angepackt und hatten viel Freude an Bord.“
Die Gemeinschaft wurde am zweiten Tag auf die Probe gestellt. Es herrschte Windstärke 6, was der Nirwana eine dementsprechende Krängung (Schieflage für Landratten) bescherte. Gemeinsam wurden die Segel hochgezogen, was bei dem Wind eine ordentliche Kraftanstrengung und Teamarbeit erforderte. „Ich bin bis heute erstaunt, dass wenn man die gleiche Motivation und das gleiche Ziel mitbringt, einfach alles passt. Dafür bin ich sehr dankbar“, freut sich Nicolle Kliche.
Aber es gab auch ruhige Momente an Bord. An denen die Erzieherinnen an Deck saßen, den Wellen hinterherschauten, den eigenen Gedanken nachhingen und dem Knattern der Segel im Wind lauschten. Kurzfilme oder Impulsfragen luden die Erzieherinnen ein, innezuhalten und auf sich, ihr Gottesbild und ihr Leben zu blicken. „Ich hatte erhofft, ein wenig Zeit für mich zu bekommen. Mich mit mir, meinen Empfindungen und meinem Glauben auseinandersetzen zu können“, erzählt Stefanie Hell aus der Kita. St. Marien in Bocholt. „Die Realität hat alles übertroffen. Die Impulse am Morgen, zum Einstieg, haben mir gut gefallen und ich konnte sie gut mit in den Tag nehmen.“ Und Klara Ludwig ergänzt: „Man hatte Zeit zuzuhören, zu erzählen, nachzudenken und auch einfach mal die Stille auszuhalten. Ich hatte auch das Gefühl, es sind Gespräche geführt worden, die man sonst nicht führt, jemand völlig Fremden erzählt hätte. Es herrschte viel Vertrauen innerhalb der Gruppe.“
Birgit Lohre-Busch, Einrichtungsleitung in der Kita St. Ludger/Wichtelgarten aus Bocholt, bringt es auf den Punkt: „Die Tage waren wundervoll, das Segeln superschön, die Impulse sehr ansprechend, die Gruppe war mehr als wohltuend und das Schiff spitze.“ Und auch wenn sie mit ihrer Freundin Mary teilgenommen habe, so hat sie dennoch viele Geschichten der anderen Teilnehmerinnen wahrgenommen, „bewegte Geschichten, wie der Wind und das Meer am zweiten Tag. Sie ließen mich zu der Erkenntnis kommen, dass ich nicht allein war, dass alles möglich ist, wenn man nur will. Was soll schon geschehen, außer zu leben und das wohlbehütet, weil einer immer über uns wacht."