Kindertageseinrichtungen sind pastorale Orte. Und deren Welt ist bunt! Schon früh treffen dort Kinder und Familien mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Prägungen aufeinander. Diese Vielfalt ist Chance und Herausforderung zugleich – vor allem für die religionspädagogische Arbeit. Denn es stellt sich die Frage, wie es konfessionelle Kitas schaffen, ihre eigene Identität zu bewahren und gleichzeitig den Kindern anderer Glaubensrichtungen gerecht zu werden.
Diese Frage wird seit der Zuwanderung zahlreicher Geflüchteter im Jahr 2015 nach Deutschland immer drängender. Immer mehr muslimische Kinder besuchen die katholischen Kitas und „stellen die Erzieherinnen und Erzieher vor Herausforderungen“, erzählt Angelica Hilsebein vom Referat Christen und Muslime des Generalvikariats des Bistums Münster. „Das interreligiöse Lernen hat bisher kaum eine Rolle im Kita-Alltag gespielt. Daher fühlen sich einige Erzieherinnen in dieser Frage verunsichert.“ Aber auch die muslimischen Eltern und ihre Kinder fragen sich, wie sie als Andersgläubige in der Kita wahrgenommen werden. Wie begegnen ihnen die Erzieherinnen und Erzieher, die anderen Eltern? Die Kita als Spannungsfeld.
Als Hilsebein das Angebot unterbreitet wurde, das Masterstudium „Interreligiöse Dialogkompetenz“ aufzunehmen, nahm sie es ohne zu zögern an. „Schließlich ist der interreligiöse Dialog als pastorales Handlungsfeld eine Herzensangelegenheit von mir“, freut sich die gebürtige Leipzigerin, die im Februar ihr dreijähriges Studium mit einer Masterarbeit unter der Fragestellung, wie muslimische Eltern als Vermittler ihrer Religion in die Kitas einbezogen werden können, abgeschlossen hat.
Gegenstand ihrer Abschlussarbeit war dabei die religiöse Lebenswelt muslimischer Eltern und Kinder, die Einstellung der Befragten zum christlich-katholischen Profil, sowie die Sichtbarkeit und Vermittlung des Islams in katholischen Einrichtungen. „Ich habe in drei Kitas an unterschiedlichen Standorten im Bistum mit muslimischen Eltern Interviews geführt und geschaut, wie es gehen kann, das katholische Profil zu stärken und zu bewahren und gleichzeitig andere Religionen in den Kita-Alltag mit einzubeziehen.“
Schließlich gebe die Trägerschaft die – katholischen – religiösen Riten und Gebräuche vor. „Der Islam ist da“, betont Hilsebein. „Daher gilt es jetzt, eine katholische Theologie zu entwickeln im Hinblick auf andere Religionen. „Schließlich gibt es einen Auftrag der deutschen Bischofskonferenz, dass die Interreligiosität ein Bestandteil des religiösen Angebots in der Kita sein sollte.“
Ihre Untersuchung hat ergeben, dass sich muslimische Eltern zum Teil bewusst für eine konfessionelle Kita entschieden hätten, auch wenn es nicht die der eigenen Religion sei. „Denn dort bekommt das Kind Werte vermittelt, die beiden Religionen zu eigen sind.“ Auch gebe es kein Problem mit dem katholischen Profil der Kitas. „Hauptsache, Gott spielt noch eine Rolle.“ Die Eltern hätten auch nichts dagegen, dass ihre Kinder am Kita-Alltag mit seinen religionspädagogischen Angeboten, religiösen Feiern und Ritualen teilnehmen. „Sie können alles mitmachen, bis auf das Kreuzzeichen. Das lässt sich mit ihrem Glauben nicht vereinbaren.“
Letztendlich „verbindet uns mehr, als uns trennt“, betont Hilsebein. „Wir haben gemeinsame Wurzeln, gemeinsame Werte.“ So sei Abraham der gemeinsame Stammvater der drei monotheistischen Weltreligionen und Jesus komme als bedeutsamer Prophet auch im Koran vor. „Ein Anknüpfungspunkt kann die hebräische Bibel bzw. das Alte Testament mit seinen Prophetengeschichten sein.“ So könne man muslimische Eltern einladen und sie fragen, wie sie die Geschichte von Abraham, Noah und seiner Arche oder von Jona erzählen. Das biete eine Chance, „die muslimische Perspektive miteinzubeziehen und sich gegenseitig besser kennen zu lernen.“ Hilsebein ermutigt die Erzieherinnen und Erzieher, sich mit den verschiedenen Religionen auseinander zu setzen, sich Grundwissen anzueignen und gleichzeitig ihre Verankerung in ihrer eigenen Religion zu stärken. „Das schafft Vertrauen und Verständnis füreinander.“
Ihre Untersuchung hätte gezeigt, dass die muslimischen Eltern die Erzieherinnen und Erzieher als sehr wertschätzend ihnen gegenüber erleben. „Wenn wir jetzt noch die Kitas dafür sensibilisieren können, muslimische Eltern als Ressource zu sehen und sie miteinzubeziehen, kann die Vielfalt der Religionen sogar als Bereicherung gesehen werden“, blickt Hilsebein hoffnungsvoll in die Zukunft. „Aber da stehen wir noch ganz am Anfang. Das muss sich entwickeln.“ Dazu steht sie im engen Austausch mit dem Leitungsteam des Aktionsprogramms Kita – Lebensort des Glaubens.