„Ich hatte die besten Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die man sich denken kann“, erzählt Thomas Hoffmeister-Höfener mit leuchtenden blauen Augen. „Das sind die Kinder.“ Die Kinder zeigen dem passionierten Erzähler bis heute, wie man eine Geschichte richtig erzählt, so dass auch die Kleinsten sie verstehen. „Die sind so ehrlich, wie schonungslos“, erzählt der 59-Jährige begeistert, der seit über 30 Jahren landauf, landab als Geschichtenerzähler unterwegs ist. „Wenn die etwas nicht verstehen, fragen sie nach oder beschäftigen sich mit was anderem.“
Diese direkten Rückmeldungen der Kinder, die Interaktion mit dem Publikum sind es, die Hoffmeister-Höfener immer noch an seinem Job faszinieren. „Und es wird nie langweilig“, freut sich der studierte Theologe, der nach seiner Ausbildung als freier Referent in der Familienbildung tätig war. Dort hat er festgestellt, dass das Erzählen eine ganz wunderbare Methode sei, wenn man etwas vermitteln wolle. „Sobald ich anfing zu reden, wurden die Menschen still und hörten mir zu. Das war eine tolle Erfahrung.“ Auch wenn er da noch nicht wirklich wusste, wie das mit dem Erzählen ganz praktisch von statten geht. „Ehrlich gesagt habe ich auch nicht gewusst, dass es sowas wie Geschichtenerzähler als Beruf gibt.“ Bis ihm zum Thema Geschichten erzählen eine Weiterbildung angeboten wurde. Das war für ihn „der Eintritt“ in eine komplett andere Welt.
„Geschichten zu erzählen ist so alt wie die Menschheit“, erklärt Hoffmeister-Höfener. „Seit Anbeginn der Zeiten fragen sich die Menschen: Wo kommt alles her? Warum ist alles so, wie es ist?“ Für ihn ist das Geschichten-erzählen ein Versuch, sich die Welt erklärbar zu machen. Und: „Ich finde, dass diese uralte Form des Erzählens immer noch die überzeugendste ist. Weil die am ehrlichsten ist, weil der Kontakt zu den Menschen am Direktesten ist, weil ich auch selber gefordert bin.“ Denn er müsse sich die Geschichte erst zu eigen machen, ihr nachspüren. Um dann die Botschaft mit eigenen Worten so zu formulieren, damit sie das Gegenüber erreicht. „Dazu muss ich den Text nehmen und versuchen, ihn mit eigenen Worten zu sagen, mich vielleicht sogar in ihn einzufühlen. Denn dann kommen auch Emotionen und Bilder hoch, die ich dann transportieren kann.“ Wenn Hoffmeister-Höfener in Gottesdiensten Geschichten erzählt, könne es passieren, „dass danach Menschen zu mir kommen und sagen: Jetzt habe ich zum ersten Mal überhaupt die Geschichte richtig verstanden.“
Damit reiht sich der Erzähler in eine Jahrtausende alte Tradition ein: dem Erzählen am Lagerfeuer. „Früher gab es kein Handy, keinen Laptop.“ All das, was für das Leben in der Gemeinschaft wichtig war, das wurde in Geschichten weitergegeben. Daher beobachtet der 59-Jährige auch mit Sorge, „dass die Kultur des Erzählens immer mehr verloren geht“. Daher liegt ihm die zertifizierte und auf drei Module angelegte Fortbildung „Erzähl´ mir Deine Hoffnung“ des Kita-Aktionsprogramms auch so sehr am Herzen. Denn dort werden pädagogische Fachkräfte unter Anleitung professioneller Erzählkünstlerinnen und Erzählkünstler von Theomobil e.V., einem Verein für religions- und kulturpädagogische Projektarbeit, den Hoffmeister-Höfener vor 25 Jahren zusammen mit Gleichgesinnten gegründet hat, die Kunst des Erzählens eingeweiht.
„Die Kinder von heute verbringen einfach sehr viel Zeit in der Kita“, beobachtet der Geschichtenerzähler. Die Kita-Fachkräfte seien aus diesem Grund für die Kinder ganz wesentliche Entwicklungsbegleiterinnen und -begleiter. Deswegen komme ihnen eine ganz wertvolle Aufgabe zu. „Die Arbeit mit Kindern ist eigentlich die schönste und wertvollste Arbeit, weil wir aus der Elementarpädagogik wissen, wie wichtig die ersten Jahre für die Entwicklung sind. Daher sollten die Kitafachkräfte so befähigt sein, dass sie den Kindern unterschiedliche Angebote machen können. Denn sie legen die Grundlagen für deren spätere Lern- und Entwicklungsgeschichte.“
Das Erzählen fördere die Kompetenz, Bilder im eigenen Kopf zu entwickeln. „Die Vorstellungskraft ist bei vielen Grundschulkindern kaum oder gar nicht mehr vorhanden, weil sie heute vermehrt mit digitalen Medien aufwachsen.“ Anstatt den Kindern vorzulesen, werde das Handy neben das Bett gelegt oder das Tablet eingeschaltet und die Geschichte abgespielt. Das habe zur Folge, dass „die Kinder schon darauf gedrillt sind, technisch produzierte Bilder zu konsumieren, anstatt eigene Bilder im Kopf zu machen. Die Kompetenz, eigene Bilder entwickeln zu können, ist bei vielen verkümmert.“ Dabei sei diese aber wichtig für die Lernentwicklung der Kinder. „Wenn man über keine Vorstellungskraft mehr verfügt, kann man auch keine Probleme mehr lösen.“ Diese Fähigkeit werde durch das Erzählen „extrem gefördert, weil die Kinder die Geschichte beim Zuhören in ihrem Kopf entwickeln, sich vorstellen. Die ganze Welt ist in ihrem Kopf.“ Sie müssen nur lernen, diese zu gebrauchen. „Es ist eine tolle Abenteuerreise, die ich vor Jahren begonnen habe. Und sie ist noch nicht zu Ende.“
Hinweis
Die nächste Fortbildung-Reihe „Erzähl´ mir Deine Hoffnung“ startet wieder im Jahr 2024. Wenn Sie nicht warten wollen und schon jetzt total gerne Geschichten erzählen würden, legen wir Ihnen den Kita-Podcast im April ans Herz. Thomas Hoffmeister-Höfener hat uns Rede und Antwort gestanden, und ein paar Tipps verraten, mit denen Sie sich schon einmal selbst als Erzählerin oder Erzähler versuchen können. „Kinder sind ein sehr dankbares Publikum“, betont der ausgebildete Erzähler. „Nur keine Angst, die Kinder werden Ihnen schon sagen, wie sie es fanden.“
Der nächste Kita-Podcast zum Thema „Fastenzeit und Ramadan in der Kita“ wird in der Karwoche auf Spotify und hier auf der Kita-Homepage zu finden sein.
Text: Jürgen Flatken