„Wir haben in unserer Kita ein Auto, eine Ente, durchgesägt und die eine Hälfte an die Wand geschraubt. Mit Lenkrad und allem. Sogar die Hupe funktioniert“, berichtete Sven Detering den knapp 100 Teilnehmenden der Fachtagung „Räume und Orte für Religionen – Pädagogische Räume in der Kita als Orte der Begegnung und Religionspädagogik“ des Aktionsprogramms Kita – Lebensort des Glaubens des Bistums Münster. In der Akademie Franz Hitze Haus sind die Erzieherinnen und Erzieher wie auch pastorale Mitarbeitende der Frage nachgegangen, ob und wie pädagogische Räume die spirituelle und religiöse Entwicklung des Kindes unterstützen können und ob eine Kita zu einem Kirchraum werden kann.
„Es gibt Kitas, deren Räume ordentlich und aufgeräumt sind – und langweilig“, erzählte Referent Detering, Leiter einer Kita im rheinland-pfälzischen Bad Waldlaubersheim und Reggio-Pädagoge in seinem Vortrag ´Der Raum als dritter Pädagoge – Die Bedeutung des Raums für die kindliche Entwicklung`. „Dabei sollen Kinder in der Kita Dingen begegnen, die authentisch sind, die sie herausfordern und zum Mitmachen anregen. Wie die Ente.“
Als Reggio-Pädagoge sei es ihm ein Anliegen, „Räume so zu gestalten, dass Kinder provoziert, animiert und zum Nachdenken angeregt werden. Eine Kita sollte mehr als bunt und süß sein.“ Diese Art der Pädagogik stammt aus Norditalien und sei mittlerweile der international am meisten anerkannte elementar-pädagogische Ansatz, der nach der Reformpädagogik im 20. Jahrhundert entwickelt wurde. Im Mittelpunkt des reggianischen Erziehungsmodells stehen wahrnehmende, forschende und lernende Kinder, die von ihren individuellen Bedürfnissen her die Entdeckungsreise in ihre eigene Welt starten würden. Die Erzieherinnen und Erzieher seien dabei lernende und forschende Wegbegleiter der Kinder.
„Es gilt daher, die Kita so zu gestalten, dass das Kind durch die Kita läuft und sagt: ´Ich bin jetzt vier Jahre hier und das ist mir bis jetzt nicht aufgefallen`.“ Das Kita-Team hatte eine Spiegelfolie unter einem der Tisch angebracht, die das Kind zufällig entdeckt hatte. „Es gehört nicht viel dazu, Kinder zu begeistern: ein Loch in einem Karton zum Durchschauen ist oft besser, als ein Spiel für 50 Euro.“ Detering brach eine Lanze dafür, dass Kinder die Gelegenheit ermöglicht werde, „in Rollen einzutauchen und dort zu verweilen. Gestalten Sie Ihre Räume so, dass Kinder animiert werden, mit ihren Augen über Mauern zu springen.“
Der Münsteraner Liturgiewissenschaftler Professor Clemens Leonhard ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob die Kita ein Kirchraum sein könne. „Nein!“. Eine Antwort, mit der niemand gerechnet hatte. Schlagartig senkte sich Stille über den Saal aus. „Zwischen Kita und Kirche gibt es einen Unterschied.“
Ein Kirchraum sei irgendwie diffus heilig. In der Kirche beschliche einen das Gefühl, dass der Raum etwas Besonderes habe. „Dabei steckt die Heiligkeit nicht im Gebäude. Ich weiß nicht, was die Heiligkeit des Gebäudes ausmacht“, musste Leonhard zugeben. „Und die Kinder auch nicht.“ Heiligkeit könne man nicht sehen oder hören, sei keine Eigenschaft von Gebäuden, sondern davon, „was wir darin tun. Katholiken verhalten sich in Kirchengebäuden anders als zuhause, anders als in der Kita – aus dem Gefühl heraus, dass das ein heiliger Ort ist.“ Die Kita dagegen sei eine Einrichtung, in deren Rahmen man Kirchräume entdecken könne. „Eine Einrichtung, in der eine Gruppe eine Gemeinschaft darstellt, die auch Kirche sein kann. Die Kita ermöglicht Kinder die erfahrbare und wohltuende Eingliederung in eine Gruppe.“ Das hätten Kita und Kirche gemeinsam: die Bildung von Gruppen und das Einüben von Handlungsmustern. „Ein Kirchraum ist ein Nicht-Kita-Raum“, brachte es der Professor auf den Punkt.
„Orte sind niemals nur Orte. Sie sind identitätsverbindende Landschaften meiner Lebensorientierung“, sagte Religionspädagoge Martin Steinhäuser zu Beginn seines Vortrags ´Gott im Spiel – Räume als Orte der Religionspädagogik`. „Die Prägende Wirkung der Räume geht mit ihnen mit: Farben, Gerüche, Menschen. Diese Raumerinnerungen formen unser Verständnis von dem, worum es darin geht. Sie sind prägend.“ Kitas seien solche prägenden Räume und Orte betonte der Professor aus Dresden. „Räume haben nicht nur eine reale, sondern auch eine symbolische Qualität.“ Und da komme die religiöse Bildung ins Spiel.
„Räume in Kitas sind erst einmal funktional, wie Gruppenräume. Sie werden zu besonderen Orten durch das, was in ihnen geschieht“, so Steinhäuser weiter. So könne man vor einem Raum eine Schwelle einbauen, um zu zeigen, „für uns beginnt hier ein religiöser Raum in dem ich auch noch persönlich begrüßt werde“. Der religiöse Raum lebe durch Symbole und Rituale, der Glaube gewinne Gestalt durchs Tun. „Die Art und Weise der Darbietung lädt Kinder ein, darin einzutauchen.“ Das sei wichtig für die religiöse Bildung: Aufmerksamkeit, Beobachten, Fokussieren, innere Anteilnahme der Kinder. Wichtig sei es, dieses durch Materialien erfahrbar zu machen.
Die Haltung der Erzieherinnen und Erzieher sei dabei wichtig. „Sie können durch ihre eigene Haltung einen wichtigen Beitrag zur religiösen Erziehung leisten. An mir selber kann ich zeigen, was einen religiös gebildeten Menschen ausmacht. Das ist eine Haltung, nicht nur Wissen“, betonte der Religionspädagoge. In dieser Haltung könnten die Erzieherinnen und Erzieher auch den Raum mit der Schwelle verlassen. „Denn durch Ihre Präsenz und Haltung schaffen Sie religiöse und spirituelle Räume, egal wo Sie sich gerade aufhalten.“
„Auf dieser Fachtagung ist es gelungen aus drei unterschiedlichen Perspektiven, die Bedeutung des Raums für die Religionspädagogik und Kita-Pastoral zu erarbeiten. Es wurde mehrfach deutlich, dass Subjektwerdung niemals alleine geschieht, sondern stets in gegenseitigen Beziehungen, die auf vertrauensvollen Begegnungen zwischen Menschen basieren“, zog Sebastian Schiffmann, Akademie-Dozent und Mitarbeiter im Aktionsprogramm, ein positives Fazit. Räume könnten Anregungen bieten, Beziehungsaufbau fördern und Kommunikation unterstützen.