Religiöse Spurensuche auf Kita-Fachtagung "Weltentdecker begleiten"

Sebastian Schiffmann (Akademie Franz Hitze Haus ), Kathrin Wiggering (Kita-Aktionsprogramm), Eva-Maria Schiller (Entwicklungspsychologin Uni Münster), Viola Fromme-Seifert (Religionspädagogin), Marcus Bleimann (Kita-Aktionsprogramm) und Leoni Bonhoff (KTK-Diözesan-AG), (v.l.n.r.).

„Religiöse Bildung zieht sich durch alle Bildungsbereiche, wie zum Beispiel Sprache, Musik, Natur sowie soziale und interkulturelle Bildung. Sie ist nicht herausgelöst aus den übrigen Lebens- und Bildungszusammenhängen, sondern darin eingebettet.“ Dieses Zitat aus den Bildungsgrundsätzen des Landes NRW zeigt die integrative Ausrichtung und die alltägliche Durchdringung der Religionspädagogik in den Kitas. Doch was bedeutet das eigentlich für die tägliche Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher in den 750 katholischen Kindertageseinrichtungen im Bistum Münster?

Die Fachtagung „Weltentdecker begleiten. Religiöse Spurensuche in allen Bildungsbereichen“, die das  Aktionsprogramm Kita – Lebensort des Glaubens des Bistums Münster in Kooperation mit der Münsteraner Akademie Franz Hitze Haus und der KTK-Diözesan-AG durchgeführt hat ging dieser Frage nach und brachte die Vielfalt pädagogischer Zugänge und die zahlreichen Bildungsinhalte miteinander in Verbindung. Durch zahlreiche praktische Angebote bekamen die 60 Teilnehmenden die Möglichkeit, in offenen Werkstätten zwischen den zehn Bildungsbereichen Verbindungen zu knüpfen und die religiösen und spirituellen Dimensionen nachzuspüren.

„Für uns ist es selbstverständlich, Mittel und Wege zu finden, uns selbst zu regulieren, wenn wir traurig oder wütend sind“, sagte Entwicklungspsychologin Eva-Maria Schiller von der Uni Münster zu Beginn ihres Vortrags über die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern. Die Kinder müssten diese Fähigkeiten erst noch erlernen. „Und dabei kommen Sie ins Spiel“, wandte sich die Entwicklungspsychologin direkt an die Erziehenden. „Ihr Beitrag ist dabei sehr, sehr wertvoll! Sie können die Kinder dabei gezielt unterstützen und fördern.“ Der Erwerb der regulativen Kompetenzen sei wichtig und relevant für den kompletten Entwicklungsverlauf des Kindes. Kinder würden im Laufe der Zeit immer höhere sozial-emotionale Kompetenzen entwickeln, ein geringeres Risiko haben, psychisch zu erkranken und schlössen leichter Freundschaften.

„Kinder, die über gute regulative Kompetenzen verfügen, sind sozial kompetenter und haben weniger Konflikte mit Gleichaltrigen. Defizite bei diesen Kompetenzen erhöhen das Risiko für externalisierende und internalisierende Störungen wie Aggression und Trotz, Ängste und Depressionen“, brachte Schiller es auf den Punkt. Gleichzeitig gab sie auch Entwarnung: „Bei der Mehrzahl der Kinder, die auffällig sind, ist das eine Phase. Sie lernen von Eltern, Erzieherinnen und Erziehern und Gleichaltrigen. Sie entwickeln sich.“ Die Altersphase zwischen drei und sechs Jahren sei dabei ein zentrales Zeitfenster. „Sie haben in den Kitas dabei eine sehr wichtige Rolle: Kompetenzen entwickeln sich in sozialen Interaktionen.“

In der Interaktion lerne das Kind Werte, Regeln und Normen. Die Erziehenden fungieren dabei als Vorbild: „Sie geben und leben durch ihr Verhalten vor, wie man mit seinen Emotionen umgeht, wie Konflikte gelöst werden können. Die Kinder schauen sich ab, wie Sie Sie auf das Verhalten der Kinder, wie auf das Verhalten der Kinder in der Gruppe reagieren.“  Das sei eine wichtige Vorbereitung auf das Leben. „Das geschieht im Miteinander und nicht, wenn Kinder schon in der Kita Mathe lernen sollen, wie manche Eltern meinen.“

„Religion ist in allen Dingen. Überall, wo Interaktion ist“, nahm Viola Fromme-Seifert, Religionspädagogin und Mitarbeiterin im Aktionsprogramm, in ihrem Vortrag Bezug auf das gemeinsame Miteinander von Kindern und Erziehenden, das Schiller bereits hervorgehoben hatte. „Beziehung ist Ausgangspunkt und Ergebnis von religiöser Bildung. Und Sie sind als Bezugspersonen die Richtigen für das gemeinsame Erleben religiöser Momente. Sie öffnen diese Räume für die Kinder.“ Gleichzeitig betonte Fromme-Seifert den Vorbildcharakter der Erziehenden und hob hervor: „Nur, wenn ich selber vom Glauben angesteckt bin, nehmen mir die Kinder das auch ab und eignen es sich an.“

Die katholischen Kitas würden es den Kindern ermöglichen, das spirituell-religiöse Angebot kennen zu lernen. „Das ist wichtig, um sich frei entscheiden zu können. Wenn ich etwas nicht kenne, kann ich mich auch nicht demgegenüber verhalten“, führte die Religionspädagogin aus Paderborn aus. „Grundsätzlich geht eine religiöse Suchbewegung vom Kind aus, von jedem Kind. Wir müssen eigentlich nichts besonders anbieten. Nur aufmerksam sein. Und gegebenenfalls den Kindern Rede und Antwort stehen.“ Jedes Kind konstruiere sich die individuelle Wirklichkeit selbst. „Jedes Kind ist ein spirituell und religiös aktives Gegenüber.“ Deshalb sei die religiöse Bildung in Kitas elementar. „Die Fragen des Lebens werden von den Kindern nicht gestellt, wenn der Pastor freitags vorbeikommt, sondern eher auf dem Wickeltisch: Wo komme ich her? Wo gehe ich eigentlich nachher hin? Warum gibt es Krieg?“ Und dann sind Sie da und stehen Rede und Antwort. Es findet sich kein Kind in einer Kita, das nicht religiös wäre.“

Wie auch sozial-emotionale Entwicklung Widerstandskräfte freisetze, so gebe auch der Glaube Halt und Orientierung im Leben und stärke die Persönlichkeit. „Die Forschung zeigt, dass der Glaube ein ganz wichtiger Faktor ist, um gesund zu sein.“

„Bei dieser Fachtagung ist es gelungen die sozial-emotionale Dimension der religiösen Erziehung und Bildung in der Kita herauszuarbeiten“, zog Sebastian Schiffmann, Akademie-Dozent und Mitarbeiter im Aktionsprogramm, ein positives Fazit. „Die Religiöse Bildung in der Kita ist elementar für jedes Kind und basales Alltagsgeschehen.“ Nach den beiden Hauptvorträgen hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in offenen Lernwerkstätten sich mit den NRW-Bildungsgrundsätzen auseinandergesetzt, unterstützt durch einen Laufzettel mit Impulsfragen und begleitet durch 10 Referentinnen und Referenten in den offenen Werkstätten. „Die Teilnehmenden haben in allen Bildungsbereichen religiöse Spuren entdeckt und Möglichkeiten gefunden, die kindliche Religiosität in der Kita zu begleiten. Ich freue mich über diese gelungene Fachtagung und den intensiven Austausch aller Beteiligten.“

Die Präsentationen zu den beiden Vorträgen finden Sie hier zum Download: https://www.kita-lebensort-des-glaubens.de/entdecken?no_cache=1#c497