Kita – Lebensort des Glaubens bildet Mitarbeitende aus Kitas und Pfarreien im Erzählen aus
„Ich weiß ja nicht, ob ihr schon einmal in Indien wart“, wendet sich Monika Ruffert direkt an ihr Publikum. „Aber hier lebt der achtjährige Hirtenjunge Radschi, der 20 Schafe zu hüten hat. Und hier spielt meine Geschichte.“ Geschickt versteht es die Erzieherin aus der Kita St. Agatha in Dorsten-Westwall, ihre Zuschauerinnen und Zuschauer in der Münsteraner Akademie Franz Hitze Haus in ihren Bann zu ziehen.
Plötzlich windet sich ihr rechter Arm in der Luft: man meint, die rot-blau gefleckte Schlange, die in ihrer Geschichte aus dem Gebüsch hervorschlängelt, förmlich zu sehen. „Obwohl Radschi große Angst hat, greift er zu seiner Holzflöte und beginnt, darauf zu spielen“, erzählt sie weiter. „´Die Schlange tanzt für mich. Oh, wie ist das wunderschön`, freut sich der Junge.“ Die Geschichte über den Wert der Freundschaft nimmt ihren Lauf.
Die Schlangengeschichte ist eine von vielen, die im Rahmen der zertifizierten Fortbildung „Erzähl´ mir Deine Hoffnung“ des Aktionsprogramms Kita – Lebensort des Glaubens am Ende des ersten Moduls präsentiert wurde. Unter der Anleitung professioneller Erzählkünstler von Theomobil e.V. präsentieren sich die 22 Teilnehmenden der Erzählwerkstatt am letzten Tag gegenseitig Geschichten aus aller Welt: mal lustig, mal nachdenklich und berührend, aber auch traurig oder erschreckend – auf jeden Fall neu und lebendig.
„Die Kultur des Erzählens geht verloren“, beobachtet Referent Marco Holmer. „Kindern wird das Handy neben das Bett gelegt und die Geschichte abgespielt.“ Deswegen freut sich der Geschichtenerzähler umso mehr, dass elf Kitas aus zehn unterschiedlichen Pfarreien aus dem Bistum Münster an der auf drei Module angelegten Fortbildung teilnehmen. Immer zu zweit und als Tandem. „Dadurch soll die Verbindung zwischen Pastoral- und Kita-Team gestärkt werden. Denn so eine gemeinsame Erfahrung auf Augenhöhe fördert den Austausch und die Zusammenarbeit untereinander“, ist sich Holmer sicher. „Bei uns sind alle gleich, alle Lernende.“
„Die Fortbildung ist bewusst als Tandem angelegt, damit die Kompetenz des freien Erzählens sowohl in den Kitas, als auch in der gesamten Kirchgemeinde gefördert wird“, ergänzt Sebastian Schiffmann, Mitarbeiter im Kita-Aktionsprogramm und FHH-Dozent. „Auf diese Art können Erzieherinnen und Erzieher und pastorale Mitarbeitende religiöse Geschichten erzählen und in eine direkte Beziehung zu den Kindern oder Eltern treten,“ ist sich Schiffmann sicher.
Im ersten Modul lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihre Geschichten so vorzubereiten, dass die frei erzählt werden können. „Ich muss mir die Geschichte zu eigen machen und nachverfolgen, wie sie aufgebaut ist“, erklärt Holmer. Biblische Geschichten seien zum Beispiel so kompakt, dass sie so, wie sie in der Bibel stünden, nicht erzählbar seien. „Es wird kaum beschrieben, wie es dort aussieht. Die waren in der Wüste, heißt es oft. Aber welch ein Kind war schon in der Wüste? Das muss man erklären und – auf die Reaktion gefasst sein.“ Eine Kollegin habe sie mit einem Sandkasten verglichen, „nur größer. Die Frage der Kinder: ´Hatten die auch Förmchen dabei?`“, erzählt er schmunzelnd. „Es ist also wichtig, die Geschichten für die Kinder vorstellbar zu machen, sowohl vom Inhalt, aber auch von den Bildern her“, betont der Geschichtenerzähler.
„Freies Erzählen ist eine große Chance, auf niedrigschwellige Art Kinder und Familien anzusprechen“, hofft Robin Wagner, Leiter der Kita St. Peter Duisburg-Rheinhausen. Zusammen mit Pastoralreferentin Simone Wingels nimmt er an der Erzählwerkstatt teil. „Geschichten erzählen ist vielfältig einsetzbar, gerade auch im religionspädagogischen Kontext. Am Ende des ersten Moduls ist er überrascht über die Ergebnisse. „Wir haben die Geschichten gestern erst bekommen, in Kleingruppen bearbeitet und heute schon erzählt. Ich hätte nie gedacht, dass das klappt. Ein sehr gutes Konzept. Und so ganz anders als Schule“, erzählt er lachend.
„Wir wurden anfangs schon ins kalte Wasser gestoßen, um dann zu sehen, wie aus dem Nichts etwas Tolles entstehen kann“, ergänzt Erzieherin Ruffert. „Total verrückt, was wir innerhalb von drei Tagen alles gelernt haben.“ Vielleicht kam sie auch deswegen so gut mit dem Ende klar: Radschi wird vor die Wahl gestellt, die Schlange für 200 Goldtaler zu verkaufen und so die Zukunft seiner Familie zu sichern, oder an der ungewöhnlichen Freundschaft festzuhalten. Soviel sei verraten, das Ende ist erschreckend-überraschend.