Von wegen geschlossen: Kita-Alltag im Lockdown

Der Kita-Verbund der St. Antonius-Pfarrei in Herten ist ein aktueller Projektstandort. Ein guter Grund für uns, einmal nachzufragen, was das Team gerade so bewegt:

Bund und Länder hatten am 19. Januar entschieden, den Corona-Lockdown bis zum 14. Februar zu verlängern: Schulen sollten grundsätzlich bis dahin geschlossen bleiben, die Präsenzpflicht ausgesetzt. „In Kindertagesstätten wird analog verfahren“, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Homepage.  „Und ich wurde dann von einem Mitglied des Kirchenvorstands angesprochen und gefragt, was wir Erzieherinnen und Erzieher jetzt eigentlich den ganzen Tag über machen würden. `Ihr habt ja zu´“, ärgert sich Natalie Neumann-Roitzsch, Kita-Verbundleitung der katholischen Pfarrei St. Antonius in Herten. „Uns gibt es noch. Wir sind noch da. Wir haben geöffnet.“

Zu dieser Irritation konnte es kommen, da es der entscheidende Satz der Bundesregierung nicht in die überregionale Berichterstattung geschafft hatte: „Über die konkreten Umsetzungen entscheiden die Bundesländer individuell.“ Denn so wurde aus „geschlossen“ in NRW „grundsätzlich geöffnet“. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Medien auch darüber berichten. Jetzt gehen alle davon aus, dass wir geschlossen haben und wundern sich dann. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Erzieherinnen und Erzieher, die gerade einen schwierigen Job machen. Ich ärgere mich“, bricht es aus Neumann-Roitzsch heraus.

Denn in NRW hatte sich Familienminister Joachim Stamp in einem Brief an alle Kita-Beschäftigten gewandt und mitgeteilt, dass die Regelungen vom 11. Januar weiterhin gültig seien: „Die Kindertageseinrichtungen bleiben grundsätzlich geöffnet. Ob Eltern das Angebot in Anspruch nehmen, entscheiden Eltern eigenverantwortlich.“ Mit der Empfehlung, die Kinder zu Hause zu lassen.

Die Entscheidung den Eltern zu überlassen findet die Verbundleitung „fahrlässig. Die Politik hat jetzt den Eltern den schwarzen Peter zugeschoben und sich damit aus der Verantwortung gezogen.“ Mit der Konsequenz, dass verunsicherte Eltern in den Kitas anriefen und „vorsichtig bei uns anfragen, fast weinend und mit schlechtem Gewissen, ob das Kind 15 Minuten länger in der Kita bleiben darf. Das kann es doch auch nicht sein.“

Um die Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten und die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung zu reduzieren, hat das Ministerium verfügt, dass die Kinder in festen Gruppen betreut werden sollen. Um das auch personell zu stemmen, wurde der Betreuungsumfang pro Kind pauschal um zehn Stunden verringert – es sei denn, die Kita können und möchten mehr Stunden anbieten. „Wer also normalerweise sein Kind 35 Stunden in die Kita bringt, muss es jetzt nach 25 Stunden wieder abholen“, erklärt Neumann-Roitzsch. „Wir haben eigentlich ein teil-offenes System, die Kinder können sich bei uns frei in der Kita bewegen. Jetzt gibt es feste Gruppen, denen Erzieherinnen und Erzieher fest zugeordnet sind.“

Von den über 250 Kinder in den vier Einrichtungen des Kitaverbunds kommen zwischen einem Drittel und 50 Prozent in die Kitas. „Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht. Wir finden es gut, dass unsere katholischen Kitas geöffnet sind. Nur an der Kommunikation hapert es.“ Dass die Kitas im ersten Lockdown nur für „system-relevante“ Eltern offenstanden, sei schließlich auch nicht die Lösung gewesen und hätte für viele Diskussionen gesorgt.

„Jetzt gerade sind die Eltern in dem Zwiespalt: verpasst mein Kind etwas, wenn ich es zuhause lasse? Und andererseits, wenn ich es schicke, setze ich es einer Gefahr aus?“, berichtet Verbundleitung Neumann-Roitzsch. „Wir versuchen dem zu begegnen, indem wir den Familien Materialien mit Anregungen und Materialien für die Kinder nach Hause bringen oder schicken, damit die Kinder sich nicht vergessen oder ausgeschlossen fühlen.“

Der Kita-Verbund beteiligt sich aktuell an einer Aktion der Pfarrgemeinde, die die Situation des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos anprangert. Die Kinder haben Wunschbäume mit bunten Herzen daran gebastelt. „Auf diesen Herzen finden sich nicht nur Wünsche für die Flüchtlingskinder. Es wird auch deutlich, was die Kinder sonst noch bewegt, wie: Masken für alle, Corona soll weg, alle Kinder sollen wieder in den Kindergarten.“ Die Reaktionen auf die Angebote seien durchweg positiv. „Eltern und Kinder freuen sich. Und sie melden sich per Mail, oder telefonisch bei uns oder bringen auch Bilder und Gebasteltes vorbei.“

Gegenüber Minister Stamp schlägt Natalie Neumann-Roitzsch versöhnliche Worte an, denn in seiner Haut möchte sie gerade auch nicht stecken. „Aber einladen würde ich ihn gerne. Denn dann kann er sich anschauen, wie wir hier in unseren katholischen Kitas arbeiten.“ Und dann könnte sie ihm auch ihren Wunsch nach einheitlichen und verbindlichen Regeln persönlich ans Herz legen.